F+U Fachforum Pflege zum Thema - Pflegekammer Baden-Württemberg

Pflegekammer und ihr Einfluss auf das Gesundheitswesen: Diskussion & Fachforum

Braucht die Pflege eine Pflegekammer? Das wird derzeit unter Pflegefachkräften sehr kontrovers diskutiert. Das Land Baden-Württemberg hat nun geplant, die Pflegekammer einzuführen. Darüber entscheiden sollen aber ganz demokratisch die Pflegekräfte aus Baden-Württemberg selbst. Dazu findet im Herbst 2017 eine repräsentative Umfrage unter den Pflegenden statt. Ist die Mehrheit dafür, wird die Pflegekammer eingeführt. Informieren Sie sich vorab, was dies für Sie bedeutet.

Die wichtigsten Fragen und Antworten aus der Diskussion

Was Rheinland-Pfalz schon längst hat, ist nun auch für Baden-Württemberg geplant: Eine Pflegekammer als Vertretung und einheitliche Stimme der Pflegefachkräfte. Ob die Pflegekammer in Baden-Württemberg eingeführt wird, sollen aber die Pflegefachkräfte selbst entscheiden. Dafür wird eine repräsentative Umfrage durchgeführt. Doch viele Pflegekräfte sind noch skeptisch. „Brauchen wir das wirklich?“ „Sind das nicht nur unnötige Kosten für uns?“ Solche Fragen gehen vielen Pflegekräften bei dem Thema Pflegekammer Baden-Württemberg durch den Kopf. Dies zeigte sich auch bei unserem Fachforum Pflege am 19. September 2017 zu diesem Thema. Deshalb haben wir hier noch einmal Antworten auf häufige Fragen zur Pflegekammer zusammengestellt:

Was soll die Pflegekammer den Pflegekräften bringen?
Kurz zusammengefasst soll die Pflegekammer folgenden Nutzen bieten:

Ansprechpartner und Unterstützung für Pflegekräfte bei vielen individuellen Fragen:

Pflegekräfte können sich individuell bei vielen Fragen an die Pflegekammer wenden. Sie erhalten dann eine persönliche Beratung. Dies gilt z.B. für folgende Anliegen:

  • Berufliche Weiterentwicklung / Karriereberatung: Wie kann ich mich beruflich weiterentwickeln? Welche Fort- und Weiterbildungen gibt es und was kommt für mich in Frage? Was bringt z.B. ein Studium oder die Weiterbildung als Pflegedienstleitung / PDL? Die Pflegekammer hat den Überblick über die Weiterbildungsmöglichkeiten in der Pflege und kann so die Pflegefachkräfte bei ihrer Karriereplanung unterstützen.
  • Unterstützung beim Umgang mit Missständen im Pflegealltag: 
Immer wieder kommen Pflegefachkräfte in ihrer Arbeitspraxis in Situationen, wo sie merken, hier läuft etwas falsch. Doch wie soll man damit umgehen, wenn z.B. ein Arzt im Krankenhaus aus pflegerischer Sicht Fehlentscheidungen trifft? Oder wenn eine Altenpflegerin bemerkt, dass die Heimleitung gesetzliche Vorgaben nicht einhält? Dies sind für die betroffenen Pflegekräfte höchst heikle Situationen. Viele Pflegemitarbeiter wissen dann nicht, wie sie damit umgehen sollen. Auch hier kann die Pflegekammer beraten und unterstützen. Sie kann außerdem einen Ombudsmann bzw. eine Ombudsfrau entsenden, die auf die Missstände hinweisen.
  • Rechtliche Beratung:
 Die Pflegekammer wird die Pflegefachkräfte bei rechtlichen Fragen rund um ihre berufliche Tätigkeit unterstützen. Sie ist hier eine erste Anlaufstelle für die Pflegekräfte und kann damit teure Anwaltskosten sparen helfen.

 

Einfluss auf die Politik und Stärkung der Position der Pflege in der Gesellschaft:

Viele Pflegekräfte beklagen, dass ihre Arbeit in der Gesellschaft nicht ausreichend geschätzt wird und die Pflege zu wenig Einfluss auf die politischen Entscheidungen hat. Bislang gibt es ja auch keine einheitliche Vertretung der Pflegekräfte, die hier Einfluss nehmen kann. Dies würde sich mit der Einführung der Pflegekammer ändern. Die Politik kommt dann nicht mehr umhin, die Pflegekammer als Interessenvertretung der Pflegenden bei Pflegegesetzen anzuhören. Damit bekommt die Pflegebasis endlich mal eine Stimme, die Gehör finden wird. Die Mediziner bzw. die Ärzteschaft betreibt seit jeher Lobbyarbeit. An ihren Interessen kommt die Politik daher nicht so schnell vorbei. Für die Pflege ist dies noch Neuland. Hier besteht noch Nachholbedarf. Doch wenn die Pflege mehr Einfluss nehmen will, muss sie sich organisieren. Dies geht über eine Pflegekammer. Das ist eine Investition, die sich langfristig auszahlen wird. Hier gilt Handeln ist besser als klagen. Dies gilt auch für das Bild der Pflege in der Öffentlichkeit. Durch eine gezielte Pressearbeit kann die Pflegekammer das Bild der Pflege in der Öffentlichkeit beeinflussen. Sie kann damit den Berufsstand aufwerten und auch den Pflegeberuf attraktiver darstellen.

Wie weit hat die Pflegekammer Einfluss auf Gesetzesänderungen?

Die Regelung des Kammerwesens findet durch das Heilberufe Gesetz statt. Durch eine entsprechende Novelle wird hier die Pflegekammer mit aufgenommen. In dieser Novelle wird der gesetzliche Auftrag folgendermaßen festgelegt:

„… die öffentlichen Stellen in Fragen der Normsetzung zu beraten und zu unterstützen, sowie Sachverständige zu benennen. …“ (§3 (2) Nr. 5)

Dadurch ist die Pflegekammer verpflichtet Fachexperten zu entsenden, die bei allen pflegepolitischen Entwicklungen Einfluss nehmen. Öffentliche Stellen sind ebenso verpflichtet, mit der Kammer zusammenzuarbeiten und sie zu anzuhören. Das Transplantationsgesetz wurde ohne Beteiligung der Pflege beschlossen, obwohl Pflegende maßgeblich an der Umsetzung von Transplantationen beteiligt sind. Die ethischen Grundsätze der Pflege hätten hier gehört werden müssen. Dies würde mit einer Pflegekammer zukünftig geschehen!

Warum müssen die Pflegefachkräfte überhaupt für die Pflegekammer bezahlen?

Wer zahlt hat Einfluss. Würde die Pflegekammer über andere Mittel finanziert, würden die jeweiligen Kostenträger bestimmen, was gemacht wird und was nicht. Nur durch die eigenen Beiträge der Mitglieder wird die Unabhängigkeit der Pflegekammer gewährleistet.

Wäre eine Lösung wie in Bayern, wo die Pflegekammer bei der Landesregierung angesiedelt ist und das Land die Kosten trägt, nicht besser?

Diese Lösung ist für die Pflegenden in Bayer sicher erst einmal preiswerter. Doch sie bringt auch erhebliche Nachteile mit sich. Die Pflegekammer ist damit kein unabhängiges Organ mehr. Sie muss sich dann an den Wünschen der Politik orientieren. Sie dann nicht selbst über ihre Tätigkeiten entscheiden und hat längst nicht so viele Einflussmöglichkeiten, wie eine unabhängige Pflegekammer. So kann es passieren, dass die Pflegekammer nur ein Feigenblatt wird, statt eine wichtige unabhängige Interessenvertretung der Pflegemitarbeiter/innen.

Wie teuer wird die Pflegkammer für die Pflegefachkräfte?

Der Mitgliedsbeitrag zur Pflegekammer wird sich an dem jeweiligen Einkommen der Pflegefachkraft orientieren. Die Beiträge werden sehr wahrscheinlich ähnlich wie in Rheinland-Pfalz sein. Dort beträgt der Beitrag z.B. 9,80 € pro Monat für die Einkommensklasse von 2.500 € bis 4.500 € brutto. Die Pflegekammer-Beiträge sind selbstverständlich steuerlich absetzbar.

Wer wird die Pflegekammer leiten und dort arbeiten?

Viele Pflegefachkräfte fürchten, dass die Pflegekammer von Juristen oder Betriebswirten gesteuert wird. Das wären dann wieder Menschen, die nicht aus der Pflege kommen und von denen sich Pflegefachkräfte oftmals nicht verstanden fühlen. Doch das wird nicht der Fall sein. Der Vorstand der Pflegekammer wird aus gewählten Mitgliedern bestehen. Und dies sind alles Pflegefachkräfte. Die Pflegekammer wird deshalb auf jeden Fall aus Pflegefachkräften bestehen.

Warum gibt es keine Bundes-Pflegekammer sondern nur Länder-Pflegekammern?

Dies hat mit den föderalistischen Strukturen der Bundesrepublik zu tun. Sobald aber drei Bundesländer Pflegekammern eingeführt haben, wird eine Bundespflegekammer gegründet.

Warum sollen die Fort- und Weiterbildungen durch die Pflegekammer verpflichtend werden?

Es ist ein hartnäckiges Missverständnis, dass sich die Pflegefachkräfte erst durch die Gründung der Pflegekammer fort- und weiterbilden müssen. Schon heute unterliegen alle Pflegende nach dem Kranken- bzw. Altenpflegegesetz sowie den Rahmenverträgen der Pflicht, sich regelmäßig fort- und weiterzubilden. Dies kann durch Lesen von Fachzeitschriften, durch interne und externe Fort- und Weiterbildungen, Besuch von Kongressen, Messen und Veranstaltungen oder ähnliches geschehen. So soll sichergestellt werden, dass das Wissen der Pflegefachkräfte aktuell bleibt. Durch die Pflegekammer wird dies besser dokumentiert und so auch transparent gemacht. Auch die Arbeitgeber sind hier in der Mitwirkungspflicht und beteiligen sich deshalb auch an den Kosten für die regelmäßigen Fort- und Weiterbildungen der Pflegefachkräfte.
Die Kammer wird zusätzlich Fort- und Weiterbildungen transparenter regeln, unterstützen und zentral evaluieren. Weiter wird die Pflegekammer auch kostengünstige Veranstaltungen für Pflegefachkräfte anbieten und hier mit Kooperationspartnern zusammenarbeiten.

Hat die Kammer Einfluss auf die Gehälter der Pflegefachkräfte?

Nicht direkt. Das ist und bleibt Sache der Tarifpartner. Die Kammer wird aber z.B. durch die Festlegung der Berufs- und Weiterbildungsordnung Einfluss auf Zuständigkeits- und Verantwortungsbereiche nehmen. Dies wird sich dann auf die Verhandlungen der Tarifpartner auswirken.

Hat die Kammer Einfluss auf die Arbeitsbedingungen der Pflegefachkräfte?

Auch bei den Arbeitsbedingungen hat die Pflegekammer keinen direkten Einfluss. Sie kann aber in konkreten Einzelfällen aktiv werden. Durch einen Ombudsmann bzw. eine Ombudsfrau kann die Kammer auf bekannt gewordene Missstände hinweisen. Sie kann ebenfalls beraten und zur Problemlösung beitragen. Sie kann sich z.B. einschalten wenn Mindestpersonalzahlen ständig unterschritten werden, Hilfsmittel fehlen oder nicht verordnet werden und dadurch die Pflegekräfte ihren Berufspflichten nicht in angemessener Weise nachkommen können.

Warum bietet die Pflegekammer keine Altersversorgung oder Versicherung an?

Mehr als 90 % der Kammermitglieder sind in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert. Eine zusätzliche Altersversorgung aus dem bestehenden Sozialrecht heraus, ist gesetzlich nicht möglich. Wer eine Berufshaftpflichtversicherung will, kann sich z.B. über den DBfK versichern lassen. Dies ist aber immer eine individuelle Entscheidung und kann nicht von der Pflegekammer für alle Mitglieder geregelt werden. Die Pflegekammer hat andere Aufgaben.

 

Autorinnen: Petra Weber und Manuela Obierai, das Leitungsteam der F+U Akademie für Wirtschafts- und Sozialmanagement