Pflegedirektorin in Zeiten von Corona: Interview mit Alexandra Gräfin von Rex

Welche Herausforderungen hat das Klinikum Ludwigshafen in der Corona-Krise und wie haben sie diese gemeistert? Ein Interview mit Pflegedirektorin Alexandra Gräfin von Rex

 

Alexandra Gräfin von Rex ist Pflegedirektorin des Klinikums Ludwigshafen und hat an unserer Akademie die Weiterbildung zur „Fachwirt*in im Gesundheits- und Sozialwesen“ absolviert. In dem Interview berichtet sie über die Herausforderungen durch die Corona-Krise und welche Lösungen sie gemeinsam mit ihren Kolleg*innen entwickelt hat.

Wie war für Sie die Situation im März 2020 als die Corona-Krise begann?

Alexandra von Rex: Corona kam für alle völlig überraschend, dynamisch und schnell. Wir haben daher umgehend einen Krisenstab gebildet. Involviert waren verschiedene Fachbereiche, Ärzte, Pflegekräfte, unser leitender Krankenhaushygieniker, das Direktorium aber auch die Stadtverwaltung Ludwigshafen und die Feuerwehr. Wir haben in diesem Team gemeinsam überlegt, wie wir auf die Herausforderungen für unser Haus und für unsere beiden Pflegeheime schnell und vor allem mit einem Höchstmaß an Sicherheit für Patienten und Mitarbeiter reagieren können. In diesem Krisenstab treffen wir uns seit März täglich, auch heute noch. Die Situation muss immer wieder neu bewertet werden und unsere Maßnahmen daran angepasst. Dies erarbeiten wir gemeinsam in diesem Kreis.

Im Märzwussten wir noch wenig über das Covid-19-Virus. Wir haben aber sehr schnell entschieden, dass wir spezielle Bereiche bilden müssen: eine Intensivstation für Corona-Patienten und eine Station für Corona-Verdachtspatienten. Außerdem haben wir eine Corona-Infektionsambulanz eingerichtet, die räumlich getrennt vom Rest des Klinikums ist. Alle Verdachtsfälle werden sofort dorthin geleitet, so dass sie gar nicht mit anderen Patienten in Kontakt kommen. Wir haben im Klinikum ein eigenes Labor, das schnell Testergebnisse liefert. Das ist ein großer Vorteil, bei der Anzahl von Tests, die wir täglich durchführen. Mittlerweile sind wir bei rund 700 Abstrichen pro Tag. Das Ergebnis liegt in der Regel innerhalb von 24 Stunden vor. Auch unseren Mitarbeiter*innen steht die Infektionsambulanz zur Verfügung. Zusätzlich sind sogenannte „mobile Teams“ der Infektionsambulanz unterwegs und testen stationäre Patienten. Seit Sommer werden alle unsere stationären Patienten im Aufnahmeprozess auf Covid-19 getestet. In den beiden Pflegeheimen, die zum Klinikum Ludwigshafen gehören, streichen wir seit Beginn der Pandemie alle Mitarbeiter*innen regelmäßig ab.  Mit unseren Maßnahmen gehen wir deutlich über die gesetzlichen Forderungen hinaus. Aber Sicherheit war und ist nach wie vor unser höchstes Gut. Wir müssen den Patienten nachhaltig vermitteln, dass man sich in unserem Krankenhaus keiner erhöhten Infektionsgefahr aussetzt. Seit Beginn der Krise hatten wir keinen Fall einer nosokomialen Covid-Infektion. Das bestätigt uns in unserem Vorgehen.

Weiter haben wir überlegt, wie wir Kollegen zu diesem Thema noch besser qualifizieren können und haben hierfür unser E-Learning-Programm erweitert. Außerdem haben wir Schulungen für die Intensivpflege von Covid-Patienten, auch für ehemalige Pflegefachkräfte, angeboten. Das Krankheitsbild war in dieser Form neu für uns. Insgesamt haben wir 175 Pflegekräfte in relativ kurzer Zeit zusätzlich im Umgang mit dem Covid-19-Virus geschult.

Sehr wichtig war auch, eventuelle Infektionsketten so klein wie möglich zu halten. Dafür haben wir die Teamzusammensetzung umorganisiert. Wir haben feste Teams mit jeweils vier Pflegekräften gebildet, die in 12-Stunden-Schichten gearbeitet haben. Im Falle einer Infektion hätte dann nur das kleine Team, nicht aber die ganze Station in Quarantäne gemusst. Letztendlich blieb uns dieses Szenario dann glücklicherweise erspart und wir hatten keinen unkontrollierten Ausbruch zu vermelden.

 

Dann haben die Maßnahmen offensichtlich gut gewirkt. Was hat sich rückblickend als besonders wichtig herausgestellt?

Ganz wichtig war das Thema Kommunikation mit den Mitarbeitern. Das stand neben dem Sicherheitsaspekt mit an erster Stelle. Der Austausch war immer da. Neue Informationen wurden gebündelt an alle Bereiche weitergegeben. Das war eine sehr große Herausforderung, weil es ein so dynamischer Prozess war. Es gab ständig neue Verordnungen. Das kann ich jedem in einer Krisensituation empfehlen: Für maximale Transparenz und der Einbindung aller Kolleg*innen zu sorgen.

Wie gehen Sie mit den finanziellen Auswirkungen um? Wo erhalten Sie hier Unterstützung?

Alexandra von Rex: Die Finanzierung ist ein schwieriges Feld. Es ist leider nicht ganz so, wie es in den Medien dargestellt wird. Die Ausgleichszahlungen, die wir erhalten, sind bei weitem nicht kostendeckend. Wir haben Betten freigehalten. Dadurch fehlen uns Erlöse. Wir sind deshalb in diesem Jahr wirtschaftlich nicht erfolgreich. Das wird noch ein großes Thema sein. Uns war es sehr wichtig, erst einmal alles Notwendige zu tun. Dazu gehört auch, ausreichend Schutzkleidung für die Mitarbeiter*innen zu haben. Wir wussten, dass das wirtschaftlich hart werden wird, haben dies aber hintenangestellt.

Welche Unterstützung wünschen Sie sich von der Politik?

Alexandra von Rex: Ich wünsche mir, dass die Politiker mit den Fachleuten aus der Praxis in die Diskussion gehen, dass gemeinsam Lösungen entwickelt werden. Nicht nur bei kurzfristigen Lösungen, sondern dass wir gemeinsam diskutieren, wie das Gesundheitssystem verbessert werden kann.

Was sind für Sie die aktuellen Herausforderungen?

Alexandra von Rex: Jetzt kommt der Herbst und damit auch mehr Grippeerkrankungen. Hier muss uns schnell eine Differenzierung zwischen ganz normalen grippeähnlichen Symptomen, Influenzafällen und Covid 19-Infektionen gelingen. Wir werden wahrscheinlich auch mit Personalausfällen durch Erkrankungen und durch Quarantäne z.B. von Reiserückkehrern zu kämpfen haben. Darüber müssen wir uns frühzeitig Gedanken machen.

Haben Sie Ideen, wie Sie hier vorgehen wollen?

Alexandra von Rex: Die Frage ist, wie können wir die Personalausfälle gut auffangen. Wir haben eine Art „Springer-Pool“ mit Kolleg*innen, die als Ersatz eingesetzt werden können. Die Kolleg*innen, die sich für die Springer-Position entschieden haben, können dafür ihre Wunscharbeitszeiten angeben. Dies ist z. B. für Mütter und auch für Teilzeitkräfte durchaus attraktiv.

Was ist aus Ihrer Sicht besonders wichtig, um solche Krisen gut zu bewältigen?

Alexandra von Rex: Wie bei jeder Herausforderung im Krankenhausalltag: Es funktioniert nur im Team. Auch stations- und bereichsübergreifend ist die gute Zusammenarbeit und gegenseitige Unterstützung ganz wichtig. So hat z.B. unsere Küche für die 12-Stunden-Schichten dreimal am Tag gekocht und den Teams das Essen in die Bereiche geliefert. Das hat das Küchenteam ganz alleine organisiert. Voraussetzung, dass so etwas funktioniert, sind gute Kommunikation, Transparenz und Wertschätzung. Das ist mir durch die Corona-Krise wieder ganz bewusstgeworden. So händeln wir unseren Alltag am Klinikum Ludwigshafen eigentlich auch sonst. Deswegen hat es wohl auch in der Corona-Krise so gut geklappt. Gute Führung ist ganz wichtig. Wertschätzung, Kommunikation, Transparenz. Das muss in guten Zeiten gepflegt werden, dann funktioniert die Zusammenarbeit auch in der Krise gut.

Petra Weber: ​​​Frau von Rex, herzlichen Dank für das Gespräch.

 

3.9.20