Bericht aus dem Arbeitsalltag einer Pflegefachkraft auf einer Covid-Intensivstation

Valeria Hub studiert Pflegepädagogik und hat im Frühjahr 2020 ein Praktikum an unsere Akademie absolviert.

In dem Gespräch mit der Akademieleitung Petra Weber im Januar 2021 berichtet sie von dem Pflegealltag auf einer Intensivstation, die Covid-Patienti*nnen betreut.

Sie erzählt, was sie dabei besonders belastet und was sie sich von der Politik wünscht.


P.W.: Sie arbeiten auf einer Intensivstation der Uniklinik Heidelberg. Auf dieser Intensivstation werden nun auch Covid-Patienten betreut?

V.H.: Ja, wir betreuen nun auch Covid-Patienten, weil der Bedarf an Intensivbetten gerade so hoch ist. Wir haben deshalb die Zahl unserer normale Intensivbetten reduziert und Betten für Covid-Patienten freigemacht. Dafür mussten wir allerding auch unsere Bettenzahl verringern, da wir nicht genügend Personal haben, um die Covid-Patienten adäquat zu versorgen.

P.W.: Wie macht sich der Personal-Engpass bemerkbar?

V.H.: Im normalen Intensivalltag betreut eigentlich eine Pflegekraft zwei Intensivpatienten. Das ist der Optimalzustand. Aktuell ist es aber eher so, dass eine Pflegekraft 4 Patienten betreut. Die Betten sind da, aber nicht genügend Personal, das die Patienten versorgen kann.

P.W.: Was bedeutet das für das Klinikum und für andere Patienten?

V.H.: Das bedeutet, dass planmäßige Operationen verschoben werden bzw. nicht stattfinden können. Die OP-Säle und Betten sind vorhanden, das bringt uns aber leider nichts, wenn nicht genügend Personal vorhanden ist. Die Ansteckungsgefahr ist trotz aller Schutzmaßnahmen auch für uns Pflegepersonen hoch. Ich kenne viele Kolleg*innen, die erkrankt sind und die dann zusätzlich ausfallen. Das hat natürlich enorme Folgen in einem System, in dem es sowieso schon viel zu wenige Fachkräfte gibt.

P.W.: Wie muss man sich den Arbeitsalltag der Pflege auf einer Covid-Intensivstation vorstellen?

V.H.: Die Hauptaufgabe ist die Atmung und den Kreislauf zu überwachen und immer wieder zu stabilisieren, wenn sich der Gesundheitszustand der Patient*nnen verschlechtert. Das kann innerhalb von Sekunden stattfinden. Damit verbunden ist ein enormer Pflegeaufwand, den man zusätzlich zu dem normalen Intensivalltag leisten muss. Zeit für Pausen bleibt kaum. Man braucht viel mehr Zeit, die man nicht hat. Das beginnt schon mit dem An- und Auskleiden der Schutzausrüstung.

Wenn ich morgens zum Dienst komme ziehe ich Handschuhe und Plastikkittel über, setze die FFP3-Maske auf, eine Haube und ein Schutzvisier. Je nach Tätigkeit kann es sein, dass man mehrere Stunden mit dieser Ausrüstung im Patientenzimmer steht. Die Belastung unter dieser Kleidung ist enorm. Alles ist nassgeschwitzt. Man fühlt sich ekelhaft. Ich dusche sofort nach der Schicht noch auf der Station. Das habe ich früher nicht gemacht. Dazu kommt auch emotionaler Stress. Man wird viel mehr mit seinen eigenen Ängsten konfrontiert.

P.W.: Wie gehen Sie mit dieser emotionalen Belastung um?

V.H.: Es ist leider so, dass man während der Corona-Pandemie seine normalen Bewältigungsstrategien nicht mehr so nutzen kann. Meine üblichen Coping-Strategien wie Familie und Freunde treffen, Feiern oder ins Kino gehen sowie Sport machen, sind weggefallen. Das macht es schon schwieriger. Ein großer Halt ist hier unser Pflegeteam. Jeder menschliche Kontakt ist in dieser Zeit wertvoll.

P.W.: Wie unterstützen Sie sich gegenseitig im Team?

V.H.: Wir versuchen uns so gut wie möglich abzuwechseln. Die Pflege der Covid-Patienten ist einfach enorm aufwendig. Was uns auch sehr hilft: wir reden viel mehr über unsere Emotionen und Gefühle. Das haben wir vorher nicht so viel gemacht und das hilft uns seh,r mit der Situation zurechtzukommen.

P.W.: Was wünschen Sie sich von der Politik? Was wäre konkret hilfreich, machbar, umsetzbar?

V.H.: Also erstens mehr Gehör und auch einfach mehr Geld. Damit steht und fällt meiner Meinung nach alles.

P.W.: Für was konkret mehr Geld?

V.H.: Für höhere Gehälter der Pflegenden und für mehr Stellen. Wenn der Beruf besser bezahlt wäre, würde das Berufsbild viel attraktiver. Dann hätten wir mehr Pflegefachkräfte, um eine würdevolle Pflege gewährleisten zu können. Mit Applaus ist es leider nicht getan. Meine größte Angst ist, dass durch die Coronakrise der Pflegeberuf noch unattraktiver wird.

P.W.: Sie sind ja nun auch jung und sind jetzt wie alle als Privatperson mit vielen Freiheitseinschränkungen konfrontiert. Wie sehen Sie die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung?

V.H.: Die Corona-Maßnahmen sind absolut notwendig! Für mich sind sie sogar noch zu locker. Weil wir als Pflegefachpersonen jeden Tag sehen, was das Virus anrichten kann. Ich würde mir wünschen, dass jeder das sehen kann, was wir tagtäglich sehen. Erst dann, glaube ich, kann ein Umdenken stattfinden. Jeder der das Virus leugnet, der trampelt auf uns und unserem Berufsbild herum! Der leugnet unsere tägliche Arbeit!

P.W.: Liebe Frau Hub, herzlichen Dank für das offene Gespräch!

 

26.1.21